Wie nachhaltig wirkt sozialer Druck?

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Sozialer Druck wirkt unmittelbar und momentan, bewirke aber nur selten eine tief gehende Einstellungsänderung.

Menschen passen unter sozialem Druck ihre Meinung einer wahrgenommenen Gruppenmeinung an. Diese Aussage gilt als längst bestätigt, schon Sigmund Freud hat dies in den 1921 in seiner bemerkenswerten Studie zu „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ festgestellt. Er untersuchte beispielsweise (unter dem Eindruck des gerade beendeten Ersten Weltkrieges), warum sich Massen einer unsinnigen Idee opfern. Man bringe sie nur zusammen und setze sie einem Gruppendruck aus, schon seien sie gleichzuschalten, so der warnende Psychoanalytiker, der die späteren Diktaturen des 20. Jahrhunderts damit gleichsam düster vorweg ahnte. Doch wie lange wirkt so ein Gruppendruck eigentlich? – Nicht sehr lange, meint eine aktuelle Studie der South China Normal-University, jedenfalls heutzutage. Der moderne Mensch hat drei Tage nach dem Gruppendruckerlebnis (das können beispielsweise Demonstrationen sein) wieder seinen eigenen Kopf.

Gruppendruck im Kurzzeitgedächtnis

Der an der Studie beteiligte Wissenschaftler Rongjun Yu vergleicht die Mechanismen des Gruppendrucks mit denen des Kurzzeitgedächtnisses: Die Kapazitäten sind begrenzt. Sozialer Druck wirke demnach unmittelbar und momentan, bewirke aber nur selten eine tief gehende Einstellungsänderung. Mithin lasse die unter Druck geformte abweichende Meinung nach kurzer Zeit – die Forscher konstatieren im Schnitt drei Tage – wieder nach. Für die Studie zeigten die chinesischen Wissenschaftler jungen Männern Fotos von jungen Frauen, die bewertet werden mussten. Anschließend wurden die Probanden mit einer vorgeblichen Gruppenmeinung konfrontiert, die den Durchschnitt aller Bewertungen darstellen sollte: Diese oder jene Frau sei demnach die Schönste im Lande. Daraufhin änderten 75 % der Studienteilnehmer ihre eigene Bewertung – sie passten ihr Schönheitsideal dem Gruppendruck an. Nach durchschnittlich drei Tagen jedoch hatten sie diesen vergessen und folgten wieder den eigenen ästhetischen Idealen. Warum das so funktioniert, können die Forscher bislang noch nicht ausreichend erklären.

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