Was passiert mit uns beim Karneval?

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Karneval zum Ausleben von Urbedürfnissen, die im Alltag den Zwängen der gesellschaftlichen Etikette weichen müssen

Die fünfte Jahreszeit bedeutet Ausnahmezustand in Düsseldorf, Köln und allerorten. „Mir sin verröck“, singen Kölner Mundartbands, doch Psychologen widersprechen: Nicht die Verrückten, sondern die „normalen Menschen“ machen den Karneval, um Urbedürfnisse ausleben zu können, die im Alltag den Zwängen der gesellschaftlichen Etikette weichen müssen.

Melancholie und Feierfreude

Der Psychologe Wolfgang Oelsner, als Kölner mit dem närrischen Treiben bestens vertraut, unterstellt der Karnevalisten mit der überbordenden Feierfreude gleichzeitig einen Schuss Melancholie. Dass Regression im Spiel ist, bestreitet er nicht. Schon die Verkleidungen verweisen auf das Spiel von Kindern, mit Masken ihrer Identität zu entfliehen. Diese Flucht aus dem Erwachsenenleben hält Oelsner für durchaus gesund, sie stütze die leiblich-seelische Ökonomie von Menschen, die sich ansonsten stets hochzivilisiert zu verhalten haben. Allerdings bedürfe es dabei fester Regeln und Rituale, so der Kölner Psychologe. Ansonsten würde die seelische Fliehkraft der karnevalistischen Ausgelassenheit wohl zu unkontrollierbaren Zuständen führen. Die Karnevalsbräuche hingegen verleihen dem närrischen Treiben ein Korsett, mit dem die Kontrolle gewährleistet bleibt.

Karneval und Spaßgesellschaft

Die moderne, hedonistische Gesellschaft hat viele Elemente des Karnevals in die übrigen Wochen des Jahres transportiert, wenn man etwa an die Verkleidungen und Rituale in Fußballstadien denkt. Von einer „Karnevalisierung der Alltagskultur“ spricht in diesem Zusammenhang Wolfgang Oelsner, der dennoch Unterschiede zum wirklichen Karneval ausmacht: Dieser sei ein Gesamtkunstwerk und gleichzeitig ein Wendefest zwischen Aschermittwoch und Fasten, damit auch zwischen Sein und Nichtsein, Geburt und Tod, ein Archetypus und eine urmenschliche Erfahrung, die unabhängig von religiösen Bräuchen nötig sei. Somit schwinge im Karneval auch der Tod mit, wie man an einigen Verkleidungen deutlich erkennen könne, so der Psychologe.

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